Endlich Hirnfasching – Codecamp:N im Gespräch mit dem Möbelkollektiv (Episode 2)

Und weiter geht´s!

Mit dem zweiten Teil unserer Gesprächsrunde mit Martin Pluschke, Gründer und Geschäftsführer bei Codecamp:N sowie Thomas Dormann und Jens Hofmann von der Möbelkollektiv GmbH über die Zukunft von Arbeit,  Raum als äußerer Ausdruck einer inneren Haltung und digitale und analoge Räume.

Wer die erste Episode verpasst hat, kann diese hier nachlesen!

 

Nora: Und was hat es mit der Trias „Mensch, Methode, Umgebung“ auf sich?

Martin: Auf der einen Seite brauchst du die richtigen Menschen mit dem richtigen Mindset. Gerade im Bereich der Digitalisierung sind das meistens die nonkonformistischen Menschen, die sich im klassischen Konzernumfeld schwer zu tun. Ich kenne das aus eigener Erfahrung – ich war auch immer der Exot mit meinem konträren Mindset. Zugleich musst du dich als Führungskraft fragen, wie viele von diesen nonkonformistischen Menschen kannst du dir – rein nervlich – leisten. In einer Umgebung, die Struktur braucht, ist das oft schwierig. Dann das Thema Methodenbaukasten. Den Non-konformisten, die nicht alles 110 Prozent durchplanen, denen muss ich einen Baukasten geben. Wir haben uns hier für ein agiles Vorgehen via Scrum entschieden. Scrum dient dabei als Werkzeug. Agilität besteht aus meiner Sicht aus zwei Grundpfeilern: Das eine ist die stetige Weiterentwicklung und das andere ist people management. Da steckt viel Kommunikation mit drinnen, das A und O nach wie vor. Aber da steckt auch mit drin, wie wir unsere Leute steuern. Und die Umgebung ist ein Teil dessen, die das Ganze unterstützt.

Nora: Kannst du das genauer erläutern?

Martin: Raum ist äußerer Ausdruck unserer inneren Haltung. Um mal ein konträres Beispiel zu geben: Denken wir nur mal an all die pastellfarbenen New Work-Welten, wo du zwar auch die Playstation hast, daneben aber die Zeiterfassung. Das ist nicht echt, das ist nicht authentisch. Das wollen wir nicht. Ich bin überzeugt davon, dass ein Unternehmen das bekommt, was es misst – und wir messen Output. Und wegen all dem haben wir die Trias Mensch, Methode, Umgebung als unser ständiges Unternehmensmotto. Wenn ich mich um die Menschen kümmere, kümmern die sich mit den entsprechenden Methoden ums Unternehmen und der Raum ist das, wo das Ganze stattfindet und auch ein bisschen die philosophische Klammer. Eine Mischung zwischen Arbeit und Zuhause: Es muss immer geiler als in der WG sein! Und unter der Corona-Prämisse stellt sich uns noch viel mehr die Frage: Was habe ich für einen Grund, ins Büro zu gehen. Bei uns gehen die Leute nicht ins Büro, um zu arbeiten, sondern um laut zu denken. Manchmal muss man über sein Problem sprechen, um es laut zu lösen – mit anderen gemeinsam. Der Austausch steht im Vordergrund. Wenn sich Arbeit nicht wie Arbeit anfühlt, sondern wie Heimkommen, dann ist es richtig.

Nora: Also der Raum als Ort, an dem wir zukünftig hoffentlich auch weiterhin noch zusammenkommen und die Frage danach, welche Gründe es dafür denn noch gibt, dass wir überhaupt noch ins Büro gehen. Das ist ja eine Frage, die Thomas nicht nur theoretisch sehr beschäftigt. Thomas: Welche Gründe haben wir denn deiner Meinung nach, in Zukunft noch in einem Raum arbeitend zusammenzukommen?

Thomas:  Das wird eine spannende Frage für alle Unternehmen sein. Die muss auch unbedingt individuell beantwortet werden. Erst heute Morgen habe ich dazu einen interessanten Artikel in der Zeitung gelesen. Der Titel: Homeoffice spaltet die Arbeitswelt. Und da habe ich mich zuerst mal gefragt: Von welcher vermeintlich einheitlichen Arbeitswelt ist denn da überhaupt die Rede? Wir haben jedenfalls drei wesentliche Gründe für das zukünftige Zusammenarbeiten identifiziert: Der erste Grund ist Sicherheit. Menschen wollen Beständigkeit, sie wollen gemeinsam in einer Umgebung sein, die eindeutige Regeln hat, die gerecht sind, die für alle gelten. Sie wollen ausreichend informiert sein und mit einer funktionierenden Kommunikation umgeben sein, die ihnen auch Sicherheit gibt. Wenn das passt, dann sind sie auch bereit, sich in die Prozesse einzubringen. Das gibt es nur in einem guten Office. Der zweite Punkt: Echte Kooperation. Heißt, dass die Leute natürlicherweise miteinander agieren wollen. So sind wir als Menschen gebaut und diesen Impuls sollten wir unterstützen, weil er der Erfolgsgrund unserer Spezies ist. Der dritte Grund ist die Selbst-Bestätigung. Und zwar nicht wie bisher über Konsum und Status – das ist aus unserer Sicht nicht nachhaltig. Wir meinen, die sinnvolle gemeinsame Arbeit wird ablösen, was wir vorher mit den Ersatzstoffen begründet hatten. Das kriegen wir auch von Unternehmen immer wieder als Feedback, dass der individuelle Purpose immer wichtiger wird. Am gemeinsamen Mehrwert zu arbeiten und selbstwirksam auch mitzubestimmen. Das ist wesentlich für die Projekte, bei denen wir zusammenarbeiten. Allein und individuell können wir Einiges erreichen, aber erst im Projekt heben wir gemeinsam zu ganz anderen Levels ab.

Nora: Diese Räume des Zusammenarbeitens, werden die primär digital oder analog stattfinden? Während der Corona-Pandemie hat sich hier ja nochmal ein Schub hin zum Digitalen getan. Wird das Analoge obsolet werden? Gibt es qualitative Unterschiede? Macht es einen Unterschied, ob ich mich in einem analogen Raum mit einem anderen Menschen als Mensch treffe oder lässt sich das gut digital kompensieren ohne emotionalen Streuverlust?

Martin: Ich habe da eine relativ klare Meinung dazu: Wir sind ja jetzt eine Tech-Company, samt Oculus Rift, HTC Vice und dem ganzen Kram, aber das ersetzt bei weitem nicht physische Präsenz. Klar brauche ich nicht jeden ständig sehen, auch gerade, weil wir hier ein hohes Trust-Level haben. Aber ich brauche immer wieder den Impuls, dem Anderen in die Augen zu sehen. Das Intervall ist dabei freilich individuell verschieden. Aber die rein digitalen Meetingräume, die versuchen, das Physische nachzustellen, das gelingt nicht. Klar, ich habe teils einen großen Effizienzgewinn, aber ich persönlich etwa fühle mich nach dem Homeoffice immer wie ein Zombie. Da fehlt der soziale Kit. Von unseren Teams kam genau das gleiche Feedback. Zuhause arbeiten ist cool, aber der soziale Kit ist unersetzlich. Und was man nicht vergessen darf: Wir haben unseren Mitarbeitern die Büroausstattung nachhause gefahren. Aber wo ist das noch der Fall? Und bei jungen Leuten, die manchmal nur ein WG-Zimmer haben und von dem aus dann arbeiten, da ist dann etwa Ergonomie ein wirkliches Thema. Das müsste der Anspruch ja dann auch sein, diese Arbeitsplätze entsprechend zu gestalten, dass die den Namen auch verdienen. Auch deswegen kommen die Leute ins Büro, weil sie das bei uns hier haben. Ein Ersatz wird das Digitale nie sein!

Thomas: Ich stimme Martin da absolut zu. Wenn wir reinen Informationsaustausch wollen, dann ist das digital machbar. Wenn wir Kommunikation wollen, wird das schon sehr schwierig. Und wenn wir alles von Kooperation bis Bestätigung haben wollen, dann wird es fast unmöglich. Klar ist aber auch, dass Einiges zukünftig und auf Dauer im Homeoffice stattfindet. Da gilt es jetzt, die Qualität kontinuierlich zu heben.

Martin: Da generiert sich letztlich auch ein Dreiklang. Einmal das Thema Arbeit, wie erbringe ich Arbeit. Das steht in direktem Zusammenhang mit dem Thema Führung. Und dann ist dazwischen das verbindende Element, der Raum, in dem diese Arbeit stattfindet. Der Dialog im technischen Sinne ist nicht das Thema oder das Problem. Aber die Nähe ist extrem wichtig. Und natürlich ändert sich auch innerhalb des Digitalen viel. Wir müssen etwa neu lernen, wie man per Video am besten kommuniziert. Es macht einen Unterschied, vor physischem Publikum zu performen oder vor einer Bildschirmkamera.

Weiter geht es in Episode 3 und dem Finale unserer Serie „Endlich Hirnfasching“!

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