Wohlbefinden & Arbeit – Im Gespräch

Was haben Wohlbefinden und Arbeit miteinander zu tun? Welche Bedeutung hat Arbeitspsychologie im Kollektiv-Geschehen? Thomas Dormann vom Möbelkollektiv und Dominik Schulik, der auch akademisch mit der Thematik befasst ist, im Gespräch mit Nora Beyer.

Nora: Arbeitspsychologie – was ist das und was soll das?

Thomas: Die Arbeitspsychologie  analysiert und gestaltet Arbeitstätigkeiten und damit auch deren Setting, seien es nun Arbeitsumgebungen oder deren Funktionalitäten.

Dominik: Das Ziel der Psychologie allgemein ist es, menschliches Erleben und Verhalten zu beobachten, zu erklären, vorherzusagen und zu verändern. Die Arbeits- und Organisationspsychologie beschäftigt sich demzufolge mit dem menschlichen Erleben und Verhalten in der Arbeitswelt. Dabei sollte ihr eine humanistische Perspektive in dem Sinne zugrunde liegen, dass der Zweck die Herstellung und/oder Aufrechterhaltung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Arbeitenden ist.

Nora: Ist das auch für euer Wirken im Möbelkollektiv relevant? Inwiefern?

Thomas: Genau unser Thema! Wir bewegen uns hier zwischen Motivation und nachhaltiger Gesunderhaltung.

Nora: Könnt ihr Beispiele geben, in denen arbeitspsychologische Ansätze in der Vergangenheit wirksam wurden?

Thomas: Ehrlicherweise nur durch die Referenzen und Empfehlungen, die uns tragen. Derzeit arbeiten wir jedoch an der zweiten Iteration unserer App, die Wirksamkeit nach Veränderungsprozessen misst.

Dominik: Wir betreiben im Kern keine Arbeits- und Organisationspsychologie, weswegen im engen Sinne keine klassichen Ansätze aus diesem Bereich wirksam werden können. Die Arbeits- und Organisationspsychologie würde an eine räumliche Umgestaltung anknüpfen, ihr vorausgehen oder auch begleiten. Nichtsdestotrotz begleiten wir unsere Projekte auch theoretisch und teilen unser Wissen. Die Überschneidung ergibt sich, wenn es um die konkrete Nutzung der Räume oder Tools geht. Unterschiedliche Raumstrukturen fördern oder hindern unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit. An dieser Stelle sind uns die theoretischen Inhalte aus der Psychologie bewusst und wir kreieren die Raumstrukturen so, dass sie arbeits- und organisationspsychologisch sinnvolle Arbeitsweisen fördern. Darüber hinaus wirkt natürlich auch der Raum und seine Gestaltung selbst psychologisch und kann für sich allein genommen bereits zu mehr oder weniger Wohlbefinden führen, während man sich darin befindet. Wobei das dann Themen aus anderen Fachbereichen der Psychologie wären.

Nora: Der deutsche Klassiker: Die Trennung von Arbeit und Freizeit (die Zeit, VOR oder NACH der Arbeit) und das binäre Verständnis Arbeit = kein Spaß, Freizeit = Spaß bzw. Spaß und Ernst. Welche Bedeutung hat Wohlbefinden, Freude, Spaß für Arbeit? Was sollte sich hier eurer Meinung nach ändern?

Thomas: Der deutsche Klassiker ist ja nun noch nicht so alt. Zur Arbeit-Urlaub-Trennung wurden wir durch die Industrialisierung mit ihrer arbeitsteiligen Gesellschaft und unserer Erziehung zum Dauerkosumenten hingeframet. Das ist heute Grundlage unserer Tourismusindustrie. Die Änderungen treten mit dem wachsenden Bewußtsein ein, dass es ja dauerhaft kaum sinnvoll sein kann, die Gesundheit (und die natürlichen Ressourcen) erst zu ruinieren, um sich dann kataloggerecht „schnellzuerholen“. Da fallen uns bessere Lösungen für lebenswerte Arbeitsweise ein, wo wir doch gerade so spannende Erfahrungen mit der Änderung von Geschwindigkeit und ihren Folgen für unsere Gewohnheiten gemacht haben!

Nora: Dann ist New Work quasi irgendwie auch back to the roots?

Thomas: Rückbesinnen auf das, was zählt, schadet jedenfalls nicht.

Dominik: Das Leben ist ein Kontinuum, das sich in der Realität nicht in vollständig voneinander getrennte Bereiche einteilen lässt. Wir können sie theoretisch so getrennt denken, aber werden sie als Kontinuum erleben. Insofern ist natürlich auch für die Arbeit das Wohlbefinden von großer Bedeutung so wie für das gesamte Leben. Was Ich bei der Arbeit erlebe wird sich auch auf diese anderen theoretisch getrennten Bereiche auswirken. Ich denke es geht darum, im Leben insgesamt ein zufriedenstellendes Maß des Wohlbefindens herzustellen. Wie das im Detail aussieht kann man sich nur selbst beantworten. Die Arbeits- und Organisationspsychologie liefert aber schon mal gute Anhaltspunkte und Erkenntnisse durch empirische Forschung. Meiner Meinung nach müsste mehr Bezug zu den Individuen hergestellt werden und auf deren Bedürfnisse Rücksicht genommen werden. Dabei braucht es einen gesunden Weg, der zwischen den individuellen Bedürfnissen und den Bedürfnissen der Gruppe verläuft. Bei aller Individualität darf die Gemeinschaft nicht vergessen werden, aber eben auch nicht das eigene Leben, das wir alle nur einmal durchlaufen. Also warum machen wir es uns selbst gegenseitig oft so schwer? Mit Kooperation kommen wir zusammen langfristig zufriedenstellender weiter als mit Konkurrenz.

 

Bild: Möbelkollektiv
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