ArbeitsZEIT – Wie sinnvoll ist es eigentlich, Arbeit in Zeit zu messen?

Acht Stunden mal fünf oder sechs Tage. Rund 250 Tage im Jahr. Repeat.

Klar, man hört immer wieder: Eine 40- oder 39-Stunden-Woche ist, zumindest historisch gesehen, eine echte Verbesserung. Im Deutschen Kaiserreich um 1871 arbeiteten die Menschen rund 72 Stunden in der Woche. Seitdem sinkt die Wochenarbeitszeit kontinuierlich: 1914 lag sie bei rund 55 Stunden. Im Jahr der Wiedervereinigung bei etwa 39,7 Stunden.

Darauf wird immer wieder verwiesen. Nur: Arbeit in zusammenhängenden Stunden zu messen, in Arbeit und Freizeit zu trennen – oder überhaupt Zeit als zentrale Maßeinheit zu definieren – ist längst nicht so „natürlich“, wie wir vielleicht denken.

Johann Philipp Möller alias Johann Wolfgang von Goethe schreibt 1787 in seiner »Italienischen Reise« über die Kutscher und Lastenträger, die Pfeife rauchend am Wegesrand stehen, die vermeintlich müßiggängigen Schiffer an der Mole und die Fischer, die »an der Sonne liegen, weil vielleicht ein ungünstiger Wind weht, der ihnen auf das Meer auszufahren verbietet«: »Es trug ein jeder ein Zeichen seiner Tätigkeit mit sich.« So schrieb er es auf und beschied, dass das Gerücht der »dreißig- bis vierzigtausend Müßiggänger in Neapel« ein wohl ziemlich arrogantes Missverständnis sei: »wohl eine nordische Ansicht, wo man jeden für einen Müßiggänger hält, der sich nicht den ganzen Tag ängstlich abmüht.«

Es gab eine Zeit – strenggenommen eigentlich in Relation der weitaus größte Teil der Menschheitsgeschichte – in der Arbeit einem weitaus dynamischeren Rhythmus folgte als heute. Biologischen Rhythmen etwa, oder dem Tag- und Nacht-Rhythmus oder – wie im Fall der »Italienischen Reise« – Rhythmen, die die für uns so selbstverständliche Trennung in Arbeit und Freizeit in Frage stellen. Hat der Fischer am Strand, der auf bessere Windverhältnisse wartet, um in See stechen zu können, Freizeit? Oder ist das Arbeit? Oder ist das vielleicht auch irgendwie egal?

Ist es natürlich nicht. Zumindest nicht in einem System, das die Entlohnung von Arbeit an die Anzahl der Stunden knüpft, die man für diese beansprucht. Aber macht das Sinn? Soziologe Stefan Boes meint: »Die industrielle Revolution hat das Nichtstun als Bestandteil der Arbeit verdrängt.« Das erleichtert die Rechnung. Ist aber sehr wahrscheinlich ein Verlust. Und einer, der Raum lässt für noch grundsätzlichere Fragen: Etwa die, ob die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit menschlich sinnvoll ist und eben, ob Zeit als primäre Maßeinheit für Arbeits(leistung) zukunftsfähig ist.

Was denkt ihr? Und: Fallen euch Ideen und Alternativen ein, Arbeit anders zu messen?

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