Arbeitswelten Neu Denken

Original Beitrag von Emily auf https://www.mydigitalsurfari.de/arbeitswelten-neu-denken/

Wer sich mit Themenwelten rund um Digitalisierung und Innovation beschäftigt, stößt sehr bald auf eine ganz neue Welt. Meine Weiterbildung zum Digital Transformation Manager bei der Shiftschool ermöglicht es mir, mein Netzwerk stetig auszubauen und mir neue Themen zu erschließen. Vor kurzem war ich dank dieses neuen Netzwerkes, das sich gerade knüpft, im Nürnberger möbelkollektiv zu Gast. Dort traf ich meinen „Mit-Shiftie“ Thomas Dormann, der ein Jahr vor mir mit der Shiftschool gestartet hat. Eigentlich wollte ich von ihm wissen, wieso sein Unternehmen, das Möbelkollektiv, beim „Humanity-Festival“, das die Class 4 organisierte, als Sponsor aufgetreten ist. Das Gespräch drehte sich dann aber um so viel mehr – mir schwirrte am Ende der Kopf vor so viel tollem Input. Deshalb habe ich mich entschlossen, das Gespräch mit Thomas hier als Interview in den Blog aufzunehmen, um auch anderen die Chance zu geben, vom Denkansatz des möbelkollektivs zu lernen.

Freitag, 11.30

Ich hetze aus dem Homeoffice, um die Mittagspause mit Thomas Dormann zu verbringen. Das möbelkollektiv in Nürnberg befindet sich in einem Hinterhaus im dritten Stock, die Einrichtung ist faszinierend für jemanden wie mich, der doch eher nüchterne Büroräume gewohnt ist: da sind zwar klassische Arbeitsplätze, aber auch Sofas mit hohen Lehnen, die sicher perfekt für Gespräche in kleiner Runde sind. Mitten im Raum steht ein kleines Häuschen mit einem Schreibtisch darin – der perfekte Rückzugsort, wenn man sich konzentrieren möchte. Außerdem gibt es drei Reihen mit Stufen-Bänken für Vortragssituationen, einen abgetrennten Besprechungsbereich und eine Art Café-Bereich neben der Küchenzeile – und den quasi schon obligatorischen Tischkicker (dazu später mehr). Thomas erwartet mich abgehetzte Working Mom mit einer vollkommenen Ruhe und bietet mir erstmal einen Kaffee an – der perfekte Gesprächsöffner für mich. Emily: Von Eurem Kaffee hat man mir ja schon vorgeschwärmt, ich bin schon ganz gespannt! Thomas: Ja, es gibt für jeden Sachen, auf die er besonders großen Wert legt, und für uns hier ist das unter anderem richtig guter Kaffee. Wir wollen, dass sich jeder, der hier ins möbelkollektiv kommt, wohl fühlt – und Kaffee spielt dabei eine große Rolle. Unsere Leitthemen sind Raumstruktur und Emotion. Und zum Thema Emotion gehört neben Farben, Stoffen und Leuchtmittel eben zum Beispiel auch der Kaffee.

Arbeitswelten bewusst gestalten

Wir setzen uns an einen großen runden Tisch in Bistrotisch-Höhe, den Thomas erstmal mit einem Druckknopf auf die passende Höhe für uns beide einstellt. Emily: Kannst Du mir erzählen, was das möbelkollektiv ausmacht? Thomas: Uns geht es darum, Welten aktiv zu gestalten, statt sich passiv zu verhalten und selbst jeder gegebenen Arbeitssituation gegenüber flexibel sein zu müssen. Wir wollen, dass Menschen sich dort, wo sie produktiv tätig sein wollen, wohlführen und die Möglichkeit bekommen, produktiv zu sein. Hierfür müssen wir verstehen, wie jemand tickt und die grundlegende Kultur einer Firma oder einer Abteilung verstehen. Wir beziehen deshalb die Leute aktiv in die Gestaltung unserer Konzepte mit ein. Das fängt damit an, grundlegende Dinge erstmal einfach abzufragen. Künftig soll dies aus organisatorischen Gründen sogar per App möglich sein. Und wenn es dann an die Konzeption geht, machen wir Workshops gemeinsam mit den Leuten, um die perfekt für sie zugeschnittene Umgebung zu erschaffen. Das geht von Teambuilding bis hin zu kreativen Methoden wie Lego Serious Play. Emily:Also, in meiner Karriere hat mich ja noch nie jemand gefragt, wie ich eigentlich gerne mein Büro gestalten würde… Thomas: Genau, denn üblicherweise sind die Person, die sich um die Einrichtung kümmert, und die Person, die später darin agiert, nicht die gleichen. Oft können wir auch nicht alle Mitarbeiter in diesen Prozess mit einbeziehen, aber wir können unterschiedliche Arbeitsweisen unterschiedlicher Menschen im Prozess viel besser berücksichtigen. Manchmal gibt es sogar bei der Einweihung neuer Räumlichkeiten ein richtiges Mitarbeiterevent, in dem die Mitarbeiter sich gegenseitig erklären, wieso etwas so geworden ist, wie es geworden ist.Emily: Ich habe gehört, Ihr macht gar keine aktive Akquise. Wie kommt Ihr denn an Eure Kunden? Thomas: Ja, von uns aus bieten wir unsere Dienstleistungen nicht aktiv nach außen an. Uns ist eine Vertrauensbeziehung auf Augenhöhe einfach unglaublich wichtig. Wir wollen nicht „der Dienstleister“ für jemanden sein, aber auch keinen höhergestellten „Expertenstatus“ genießen. Früher hätte man die Art, wie wir Geschäft machen, wohl „Empfehlungsmarketing“ genannt. Die Basis unseres Tuns ist unser Netzwerk. Wir selbst sind ja nur sehr wenige Mitarbeiter. Aber wir sind offen für jeden, der mit uns arbeiten möchte. Und in dieses große Netzwerk bringt ja jeder sein eigenes Netzwerk ein. Wir machen auch sehr gerne soziale Events, wie zum Beispiel ein vollkommen offenes Afterwork, bei dem alle aus dem Netzwerk willkommen sind. Dabei geht es uns dann gar nicht darum, neues Geschäft für uns zu generieren. Wir möchten einfach eine Möglichkeit zum Austausch bieten – dabei ergeben sich ganz von selbst quasi Recruiting-Situationen oder Menschen entwickeln neue Projekte gemeinsam.

Vom „Purpose“ zum Tischkicker

Emily: Ist das dann quasi Euer „Purpose“ im möbelkollektiv? Thomas: Was uns antreibt, ist der Glaube daran, dass es eine bessere Art gibt, miteinander zu arbeiten. Und das muss nicht immer und für jeden New Work sein. Der Regler zwischen traditionellem Arbeiten und New Work muss einfach an der richtigen Stelle sitzen. Das kann man nicht von außen regulieren. Es ist eine komplexe Fragestellung, die gemeinsam erarbeitet werden will. Und dabei heißt besser für mich gar nicht unbedingt wirtschaftlich effektiver. Ich bin überzeugt davon, dass das von selbst mitkommt. Es geht uns vielmehr um die gesellschaftliche Auswirkung, die lebenswerte Arbeitsorte haben. Emily:Aber ganz ohne Tischkicker geht es auch bei Euch nicht, oder? Thomas: Der Kicker ist ja heutzutage ein Symbol. Chefs, die modern erscheinen wollen, schaffen einen Kicker an. Dieser steht dann in irgendeinem Raum, wird aber oft nur selten genutzt – denn eigentlich stört der Krach ja die anderen oder man kommt gar nicht auf die Idee, in den dunklen Kellerraum zu gehen, wo er versteckt wurde – denn er dient ja nur als Alibi. Bei uns wird nicht gekickert, während gearbeitet wird. Aber der Kicker kann genutzt werden, um innerhalb eines Teams zu neuen Arten der Zusammenarbeit zu kommen – oder auch um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Dann dient der Kicker nicht als Alibi, sondern hilft beim Team bilden und Netzwerken.

Diversity am Arbeitsplatz

Emily: Das Festival, das wir als Class 5 der Shiftschool organisieren, wird sich ja um die Themen „Digital Diversity“ und Innovation drehen. Diversität hat man bei Arbeitssituationen ja immer – der eine will Ruhe, der andere Austausch. Thomas: Das stimmt – und diese Bedürfnisse ändern sich in Arbeitssituationen zudem von einem Moment auf den anderen. Die Arbeitswelten, die wir erschaffen, sollen deshalb nicht nur zufrieden stellen, sondern den verschiedenen Anforderungen je nach Arbeitssituation entsprechen – egal, ob Kreativität, Begegnung oder Konzentration gefordert ist. Und dies bezieht sich heutzutage übrigens nicht nur auf physikalische, sondern auch auf virtuelle Räume. Denn es macht für die Teilnehmer und den Outcome eines virtuellen Meetings einen großen Unterschied, ob jeder vor seinem Laptop sitzt und man einander nicht mal sieht, oder ob man in einen gestalteten virtuellen Raum kommt. Der Organisator des Meetings kann diesen den Bedürfnissen der Teilnehmer entsprechend gestalten: mit passenden Möbeln, Flipcharts und Beamer, aber auch mit Pflanzen und Dekoration. So trifft man sich doch gleich viel lieber auch im virtuellen Raum. 

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